Internet­recht im Online­handel // Experten Talk mit der IT Recht Kanzlei

Hallo und herzlich willkommen zum Etsy Verkäufer Podcast Kassenklingeln. Ich bin Dagmar, die Gründerin von Kassenklingeln und heute ist wieder eine besondere Folge. Ich habe einen Interviewgast bei mir – im Studio – wollte ich schon fast sagen, aber ist natürlich nicht so, es ist alles online und ich bedanke mich vielmals, dass Sie zu diesem Interview bereit sind. Herr Nagel ist hier und steht mir Rede und Antwort auf all die rechtlichen Fragen.

Herr Nagel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht mit Schwerpunkten IT-Recht, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Gesellschaftsrecht und er ist Mitarbeiter der IT-Recht Kanzlei. Wer mir schon länger folgt, der weiß, dass ich darauf immer wieder gerne zurückgreife und die IT-Recht Kanzlei von Herzen empfehle. Vielen, vielen Dank, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.

Herr Nagel: Sehr gerne.

Dagmar: Ja, wir fangen mal direkt an mit einem Buzzword oder Schlagwort, das man immer wieder hört, das aber selten hinterfragt wird: “rechtssicher verkaufen”. Was bedeutet das überhaupt rechtssicher zu verkaufen?

Herr Nagel: Ich nehme mal an, die Frage bezieht sich jetzt auf den Online-Handel und nicht auf den stationären Handel.

Dagmar: Genau, wir sind immer im Onlinehandel, wir sind vor allem beim Thema Etsy Verkäufer und Etsy Shop.

Herr Nagel: Rechtssicherer Verkauf, wenn es das überhaupt gibt in dieser Form, bedeutet im Grunde, dass der Händler die notwendigen gesetzlichen Anforderungen erfüllt, um Waren über das Internet insbesondere eben an Verbraucher verkaufen zu können. Und da gibt es eben sehr viele unterschiedliche rechtliche Anforderungen.

Es gibt diverse Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, die beachtet werden müssen. Es gibt darüber hinaus aber auch noch andere Pflichten, gerade auch was das Thema Urheberrecht und Markenrecht angeht. Auch da kann man viele Fehler machen. Das Thema Werberecht ist sehr wichtig, weil auch der Bereich der Werbung in gewissem Umfang natürlich reglementiert ist. Und auch hier kann man als Händler viel falsch machen.

Etsy Verkäufer Podcast - Folge 24
Dieses Interview ist ein Transkript der Folge #24 des Kassenklingeln Podcast

Letztendlich geht es natürlich für den Händler auch darum, durch ein rechtskonformes Auftreten Schaden von sich selbst abzuwenden, indem er kostenpflichtige Abmahnungen vermeidet, die in Deutschland recht häufig eingesetzt werden, auch als Sanktions- oder Regulierungsmaßnahmen.

Dagmar: Ja, da haben Sie direkt etwas sehr spannendes angesprochen, nämlich das Thema Abmahnung. Und da kommt direkt meine Frage ‘Was ist eigentlich eine Abmahnung?’

Herr Nagel: Eine Abmahnung muss nicht zwingend schriftlich erfolgen, sie kann theoretisch auch mündlich erfolgen, da gibt es kein Formzwang. In der Regel ist es aber ein Schreiben eines Mitbewerbers oder eines sonstigen zur Abmahnung Berechtigten z.B. von einer Institution, von Abmahn-Verbänden oder bestimmten Vereinen, die dazu berechtigt sind, Abmahnungen auszusprechen.

Es ist letztlich ein Hinweis an den Händler, dass er in einem oder mehreren Punkten mit seinem Online-Angebot gegen bestimmte rechtliche Vorgaben verstößt. In der Regel wettbewerbsrechtliche Vorgaben. Es kann aber natürlich auch eine markenrechtliche oder urheberrechtliche Abmahnung sein. Grundsätzlich sind es aber wettbewerbsrechtliche Themen.

Er wird aufgefordert, diesen Verstoß abzustellen und zur Sicherung der Ansprüche des Unterlassungsgläubigers wird er auch noch aufgefordert, eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Das ist quasi eine Verpflichtung des Unterlassungsschuldners, dass er die aufgeführten Verstöße in Zukunft nicht noch einmal begeht und für den Fall, dass es doch passiert, verpflichtet er sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe an den Unterlassungsgläubiger.

Dagmar: Sie haben es schon angesprochen ‘Wer darf abmahnen?’ 

Zum einen sind es Abmahn-Verbände oder Vereinigungen, aber dürfte ich als Etsy Verkäufer jeden anderen Verkäufer, bei dem ich entdecke, dass er irgendwie rechtswidrig handelt, abmahnen? Oder darf ich das nur bei direkten Konkurrenten machen, die gleiche Produkte oder Ähnliche anbieten?

Herr Nagel: Genau richtig. Man kann hier nicht unbegrenzt einfach jeden abmahnen, der einem in die Quere kommt, sondern es muss sich, wenn es sich um eine Abmahnung unter Wettbewerbern handelt, um ein konkretes Wettbewerbsverhältnis handeln. 
Das heißt, es muss sich um einen Mitbewerber von mir handeln, der zumindest teilweise ein vergleichbares Sortiment verkauft, wie ich das auch mache, sonst wäre ich gar nicht berechtigt, diesen wettbewerbsrechtlich zu mahnen.

Und auch bei den Verbänden ist es nicht so, dass einfach jeder Verband oder jeder Verein einfach mal so abmahnen könnte, sondern da hat der Gesetzgeber im Dezember letzten Jahres die Anforderungen stark verschärft. Hier gibt es mittlerweile eine Liste, die beim Bundesjustizministerium geführt wird, in der die Vereine oder Verbände eingetragen sein müssen. Hier wird vorher geprüft, ob diese überhaupt die rechtlichen Anforderungen erfüllen, um Abmahnungen aussprechen zu dürfen. Nur dann, wenn sie diese Anforderungen auch tatsächlich erfüllen, werden sie in diese Liste eingetragen.

Früher war das noch ein bisschen einfacher, da musste man nicht zwingend in die Liste eingetragen sein. Die Liste gab es zwar schon und es waren schon diverse Verbände eingetragen, aber es gab damals auch noch eine andere Möglichkeit. Der Nachweis, dass man eine bestimmte Anzahl von Händlern, also die Interessen einer bestimmten Anzahl von Händlern vertritt, die in dem betreffenden Bereich Waren verkaufen, hat dann schon gereicht, um die Legitimation zu begründen. Dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber aber durch die Verschärfung des Abmahnungsrecht im Grunde einen Riegel vorgeschoben.
Mittlerweile ist das nur noch möglich, wenn der jeweilige Verband in diese Liste beim Bundesjustizministerium eingetragen ist.

Dagmar: Ja, das ist sehr interessant. Vielen Dank für die Ausführung. Sie haben auch noch erwähnt, wenn man diesen abgemahnten Gründen, der Unterlassungserklärung nicht folgt, dann kann es zu Vertragsstrafen kommen. In welchen Bereichen können sich die abspielen?

Herr Nagel: Ja, das kommt natürlich immer sehr auf den Einzelfall an. Und es kommt vor allem auch darauf an, wie die Unterlassungserklärung formuliert ist, die der Händler abgegeben hat. Deswegen ist es immer sehr wichtig, genau zu prüfen, ob man eine Unterlassungserklärung abgibt und mit welchem Inhalt man sie abgibt. Daran kann für die Zukunft sehr viel hängen.

Und wenn der Händler sich beispielsweise dazu verpflichtet hat, für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 5000 Euro zu bezahlen, dann muss er für die Zukunft auch diese Summe bezahlen, wenn es passiert. Es sei denn, er kann sich aus dem Verschulden irgendwie rauswinden, weil er nachweisen kann, dass er alle ihm zumutbaren Mittel ausgeschöpft hat, um einen Wiederholungsfall schadlos zu vermeiden, und es dann trotzdem aufgrund eines ihm nicht zurechenbaren Umstandes dazu gekommen ist. Es ist immer sehr schwierig im Einzelfall, sich da aus dem Verschulden rauszuwinden. Insofern ist die Rechtsprechung da eher restriktiv und da muss man schon sehr viel begründen, um wirklich das Gericht davon zu überzeugen, dass man hier nicht schuldhaft gehandelt hat.

Von daher ist eben auch der Inhalt der Unterlassungserklärung sehr wichtig, denn das ist auch für ein Gericht, wenn es zum Streit kommen sollte, der erste Anhaltspunkt für die Höhe der Vertragsstrafe. Und wenn dort ein fester Betrag vereinbart worden ist, z.B. 5000 Euro, dann muss sich der Händler daran grundsätzlich auch messen lassen und kommt da nur sehr schwer raus.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, eine Unterlassungserklärung in modifizierter Form abzugeben nach dem sogenannten ‘neuen Hamburger Brauch’. Das bedeutet, man verpflichtet sich nicht zur Zahlung einer fixen Vertragsstrafe, sondern man stellt die Höhe der Vertragsstrafe in das billige Ermessen des Unterlassungsgläubigers. Diese kann dann im Falle eines Rechtsstreits auch noch gerichtlich überprüft werden. Das ist eine übliche Formulierung, die übrigens auch von vielen Abmahnern schon immer so vorgegeben wird. Es ist nicht so, dass man immer von Anfang an fixe Vertragsstrafen vereinbaren möchte, sondern dieser sogenannte ‘neue Hamburger Brauch’ wird auch häufig in vorformulierten Unterlassungserklärungen aufgenommen.

Aber auch das schützt den Händler dann nicht vor empfindlichen Vertragsstrafen, denn auch in diesem Fall kann es zu in der Regel über vierstellige Euro Beträge kommen. Und dann kommt es eben darauf an, wie oft hier verstoßen wurde, ob es sich um einen erstmaligen oder um einen Wiederholungsverstoß handelt, ob es ein leicht fahrlässiger Verstoß ist oder ein möglicherweise sogar vorsätzlich begangener Verstoß. All das ist dann bei der Bemessung der Vertragsstrafe zu berücksichtigen.

Dagmar: Ich habe jetzt ein bisschen herausgehört, wenn man denn wirklich mal eine Abmahnung bekommen sollte, dann so vorzugehen: Das erste ist, den Schreck zu verdauen, tief durchatmen und dann vermutlich einen Anwalt zu konsultieren, ob man denn die Unterlassungserklärung so in Ordnung ist oder ob die vielleicht so weit gefasst ist. Also ich habe mal eine Abmahnung gesehen vom IDO Verband – wir können es auch aussprechen – da musste ich schwer schlucken und dachte ‘Oje, da darfst du ja danach gar nichts mehr machen.’ Ist ja fast unmöglich.

Herr Nagel: Ja, genau. Sie sprechen es an: Der IDO hat gerade noch im letzten Jahr sehr viel abgemahnt. Übrigens dürfte das in Zukunft nicht mehr vorkommen, weil er nicht in diese besagte Liste aufgenommen wurde, soweit wir wissen. Derzeit ist er jedenfalls nicht dort eingetragen und nach unserer Kenntnis mahnt der IDO derzeit auch nicht mehr ab. Aber er ist noch fleißig dabei, Vertragsstrafen aus früheren Unterlassungserklärungen, die ihm gegenüber abgegeben wurden, einzufordern.

Gerade an dem Beispiel lässt sich gut zeigen, wie wichtig es ist, dass man eben nicht vorschnell eine Unterlassungserklärung abgibt, die einem vorgelegt wird. Also selbst wenn man ganz klar einen Fehler gemacht hat und hier gegen die eine oder andere Vorschrift verstoßen hat, sollte man sich sehr genau überlegen, ob man überhaupt eine Unterlassungserklärung abgibt und wenn ja, mit welchem Inhalt. Und das kann in der Regel nur ein Anwalt beurteilen, der auf dem Gebiet einigermaßen ausgebildet ist und einigermaßen großen Sachverstand hat. Man muss ja auch die Langzeitfolgen einer solchen Unterlassungserklärung bedenken.

Ich hatte in meiner Praxis auch schon öfter die Fälle, als Mandanten kamen und eben mit einer Vertragsstrafe, einer Forderung völlig verzweifelt sagten ‘Ja, mein Anwalt damals hat mir einfach empfohlen, das so zu unterschreiben, wie es mir hier vorgelegt wurde und jetzt wollen die von mir 5000 Euro haben und dann noch eine verschärfte Unterlassungserklärung für die Zukunft und so weiter. Was soll ich denn jetzt bitte tun?’

Also da muss man wirklich auf der Hut sein, denn eine Unterlassungserklärung belastet eben in der Regel nicht nur in dem Moment, wo die erste Abmahnung zugeht, sondern die Unterlassungserklärung belastet dauerhaft. Es ist ein Dauerschuldverhältnis, zeitlich unbefristet und kann nicht ohne Weiteres einseitig beendet werden. Es kann eben passieren, dass ich oder vielleicht ein Mitarbeiter von mir, denn es muss nicht immer ich selber sein, nach vielen Jahren einen Fehler macht und der Unterlassungsgläubiger dann diesen Fehler bemerkt und mich dann nach vielen Jahren erneut abmahnt und mich zur Zahlung einer Vertragsstrafe auffordert. Und von daher kann das dann eben langfristig eine starke Belastung sein.

Dagmar: Jetzt sprechen wir mal den umgekehrten Fall an. Wir wissen alle, auf Etsy sind auch viele Verkäufer unterwegs, die nicht rechtskonform handeln, die mal schnell ihren Shop eröffnen und ohne die gewünschten Rechtstexte, darauf kommen wir auch noch mal, einfach verkaufen.

Mir ist auch letztens wieder ein direkter Konkurrent begegnet, wo ich wirklich schwer schlucken musste und überlegt habe ‘Ist das jetzt der Fall, wo ich es wirklich mal mache?’ Was empfehlen Sie denn für den Fall, wenn man jemanden bzw. einen direkten Konkurrenten entdeckt, der ohne AGB, ohne Impressum, ohne irgendwas einfach verkauft und vermutlich auch schwarz verkauft? Was würden Sie machen?

Herr Nagel: Also es kommt natürlich auch hier immer auf den Einzelfall an. Handelt es sich um einen oder mehrere Verstöße, die sich tatsächlich auch spürbar und negativ auf mein Gewerbe auswirken? Also gräbt er mir quasi Kunden ab und versaut mir damit meinen Umsatz. Und ist das auch noch vielleicht auf diese Verstöße zurückzuführen? Oder geht es auch darum, vielleicht andere vor Schaden zu bewahren, weil dieser offensichtlich betrügerisch unterwegs ist oder was auch immer?

Man muss das wirklich im Einzelfall immer genau prüfen. Und dann ist es ja auch so, dass ich als Händler, also als Mitbewerber, heute nach der aktuellen Rechtslage in Deutschland gar nicht mehr ohne Weiteres jeden denkbaren Verstoß kostenpflichtig abmahnen kann. Es gibt bestimmte Verstöße, die darf ich weiterhin kostenpflichtig abmahnen. Das bedeutet, ich darf mir einen Anwalt nehmen, der die Verstöße für mich abmahnt und die Kosten für diesen Anwalt muss dann der Gegner bezahlen, sofern sie angemessen sind und die Abmahnung berechtigt ist. Natürlich.

Aber der Gesetzgeber hat auch hier eine Verschärfung vorgenommen. Im UWG steht, dass bestimmte Verstöße wie beispielsweise einfache Verstöße gegen bestimmte Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, Verstöße gegen die Impressumspflicht oder Preisangabenverordnung nicht sofort kostenpflichtig von Mitbewerbern abgemahnt werden können. Dass ich also hier eine Art von Gelegenheit geben muss, diese Verstöße kostenfrei zu beseitigen. Auch hier kann ich natürlich eine Unterlassungserklärung für die Zukunft fordern, aber ich kann eben nicht sofort kostenpflichtig abmahnen. Ich könnte ihn erst beim zweiten Verstoß dann tatsächlich wegen der gleichen Verstöße kostenpflichtig abmahnen.

Das gilt aber nur für bestimmte Verstöße. Andere Verstöße wiederum kann ich sofort anwaltlich kostenpflichtig abmahnen lassen, wie zum Beispiel irreführende Werbung oder Verstöße gegen besondere Kennzeichnungspflichten. Wenn ich zum Beispiel Lebensmittel oder Textilien verkaufe und bestimmte Informationen unterlasse, dann kann ich dafür auch weiterhin kostenpflichtig von Mitbewerbern abgemahnt werden.

Was auch wichtig ist: Diese Einschränkung gilt nicht für Abmahn-Vereine und Verbände, die in der besagten Liste eingetragen sind. Diese dürfen mich also auch wegen solcher kleinerer, scheinbar vermeintlich kleinerer Verstöße direkt kostenpflichtig abmahnen. Wobei die Kosten hier nicht so hoch sind wie bei Rechtsanwälten, denn die Verbände, die in solchen Fällen abmahnen, sind ja in der Regel, ich sage mal in gewisser Weise geschult. Die wissen also, was zu tun ist und können dann nur eine sogenannte Verwaltungsgebühr für die Abmahnung berechnen. Also eine kleine Aufwandsentschädigung, da reden wir über Beträge von 200 – 300 Euro, vielleicht für so eine Abmahnung.

Aber auch hier gilt: Das Problem ist in der Regel nicht die Abmahnung an sich, sondern die Unterlassungserklärung, die ich dann gegebenenfalls abgeben muss und die mich dann für die Zukunft belasten könnte.

Dagmar: Okay. Die Diskussion ist häufig dann unter Etsy Verkäufern ‘Na, was mache ich denn? Ignoriere ich es? Schluck ich es runter? Oder schreibe ich dem erstmal eine nette Mail und sage ‘Hey, pass mal auf, das ist nicht in Ordnung, bringt es in Ordnung.’ Oder gehe ich gleich zum Rechtsanwalt?’

Herr Nagel: Genau, also wie gesagt, es kommt dann sehr auf den Einzelfall an. Es schadet ja nichts, wenn sie sich mal beraten lassen. ‘Macht es jetzt in meinem Fall Sinn, dass ich hier gegen die andere Person vorgehe? Dass ich die Person anwaltlich abmahnen will?’ Die Möglichkeit haben sie natürlich. 
Und dann muss man unter Berücksichtigung der Kosten, die ihnen da möglicherweise entstehen, der Risiken, die da vielleicht auch mit verbunden sind, und dem Nutzen, den Sie davon haben, eine Entscheidung treffen.

Welche Möglichkeit sie immer haben, ist, dass sie solche Mitbewerber gewissermaßen anschwärzen, z.B. bei der Wettbewerbszentrale. Wenn sie eindeutige Verstöße feststellen, können sie das der Wettbewerbszentrale mitteilen mit der Bitte, dass die dagegen vorgehen. Allerdings haben sie darauf keinen Anspruch. Die Wettbewerbszentrale entscheidet dann nach eigenem Ermessen, ob sie gegen solche Verstöße vorgeht oder nicht. Und sie haben auch keinen Anspruch darauf, dass sie daher über das weitere Vorgehen informiert werden. Also sie würden das Ganze quasi in fremde Hände geben und hätten dann sozusagen keinen Einfluss mehr darauf, was da in der Sache weiter passiert.

Und genauso hört man ja auch immer wieder, dass Verbraucherzentralen abmahnen. Da ist es dann in der Regel so, dass sich Verbraucher über bestimmte Händler beschwert haben. Also sie könnten theoretisch in ihrer Funktion als Privatperson, also auch als Verbraucher, einen solchen Verstoß auch der Verbraucherzentrale melden und sagen ‘Hier schauen Sie mal. Dieser Anbieter, der verarscht hier die Verbraucher nach Strich und Faden, weil er dieses und jenes falsch macht.’ Und dann könnte die Verbraucherzentrale auch aus eigenem Recht, in Eigeninitiative hier gegebenenfalls tätig werden.

Dagmar: Sehr praxisnah. Vielen Dank für den Tipp. Bietet denn die IT-Recht Kanzlei den Service auch? Also wenn ich eine Abmahnung bekomme, kann ich mich an die IT-Recht Kanzlei wenden?

Herr Nagel: Ja genau, das auf jeden Fall. Also wir beraten ja sehr viele Onlinehändler und der eine oder andere kriegt auch mal eine Abmahnung aus unterschiedlichsten Bereichen. Also hier sind wir gern der erste Ansprechpartner und wenn es sich um Fälle handelt, für die wir jetzt nicht ohnehin haften müssen aus unserer anwaltlichen Beratungspraxis und Sorgfaltspflicht und so weiter, dann machen wir den Mandanten auch ein Angebot für eine Beratung und gegebenenfalls auch Vertretung.

Was wir im Moment eher nicht oder sehr selten machen, ist aktiv abzumahnen. Erstens, weil wir gar nicht die Zeit dafür haben. Wir sind also gut damit ausgelastet, unsere Mandanten hier vor Abmahnungen zu schützen und sie quasi präventiv zu beraten. Und Abmahnen ist halt auch eine zeitaufwendige Sache, weil man die Angebote des Gegners sichern muss. Also erstmal muss man sich damit befassen, dann muss man sozusagen eine rechtliche Einschätzung treffen. Was kann man davon überhaupt abmahnen, was nicht? Dann muss man das Angebot sichern und dann letztlich muss man ein entsprechendes Schreiben verfassen, absenden und so weiter und das Ganze dann auch irgendwo weiterverfolgen. Das ist also auch für einen Anwalt mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden.

Allerdings kann es natürlich auch relativ attraktiv sein von den Verdienstmöglichkeiten, von den Honorar-Möglichkeiten, weil man im Wettbewerbsrecht in der Regel doch relativ hohe Streitwerte ansetzen kann. Danach bemessen sich ja letztlich auch die Anwaltskosten. Je höher der Streitwert, umso höher ist auch mein Anwaltshonorar. Und die Gerichte sind ja nicht zimperlich bei den Streitwerten im Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Markenrecht. Also je nachdem wie schwerwiegend der Verstoß ist, kann das dann auch für den Anwalt ein attraktives Business sein, sozusagen. Und wenn der Anwalt dann mehrere solche Abmahnungen pro Woche verschicken kann, wo wir dann hohe Streitwerte haben, dann kann kann das für einen Anwalt auch durchaus lukrativ sein.

Für uns kommt es jetzt nicht so in Frage, weil wir gar nicht die Zeit dafür haben, das auch entsprechend umzusetzen. Also wie gesagt in Einzelfällen, wenn es dann wirklich auch mal um heftige Verstöße geht oder so würden wir sowas dann schon auch mal machen für Mandanten. Aber kleinere Verstöße und so können wir einfach zeitlich gar nicht berappen und würden dann in solchen Fällen immer auf Kollegen verweisen, von denen wir wissen, dass sie so etwas auch machen können und einfach dafür mehr Zeit haben als wir.

Dagmar: Das sind auf jeden Fall hoch interessante Insights. Vielen Dank dafür. Mit einer Frage möchte ich jetzt das Thema noch abschließen. Sie sehen ja auch sehr viele Abmahnungen, was sind denn auf Etsy die häufigsten Abmahngründe unter Etsy Verkäufern?

Herr Nagel: Ja, bei Etsy eigentlich auch nicht anders als bei Amazon oder bei eBay. Da geht es dann in der Regel um Verstöße gegen die Preisangabenverordnung, weil zum Beispiel der Grundpreis, der dahin gehört, nicht aufgeführt wird. Oder es geht um Verstöße gegen Textilkennzeichnungsverordnung, weil bestimmte Textilangaben nicht gemacht werden, die ins Angebot rein gehören. Dann das Thema fehlerhafte Widerrufsbelehrung, das war eben bis zum letzten Jahr noch sehr stark vertreten, gerade auch durch die vielen IDO Abmahnungen. Hat aber jetzt nachgelassen, dadurch, dass es jetzt diese gesetzlichen Verschärfungen bei den Anforderungen gibt.

Aber wie gesagt, es gibt auch die Vereine und Verbände, die nach wie vor alles abmahnen dürfen, was wettbewerbswidrig ist, also direkt kostenpflichtig, meine ich damit. Diese mahnen auch weiterhin solche Verstöße ab. Also widersprüchliche Widerrufsbelehrung zum Beispiel oder auch AGB Klauseln, die offensichtlich unzulässig sind oder irreführende Werbung. Und natürlich auch Urheberrechts- und Markenrechtsverstöße, das kann auch durchaus vorkommen.

Dagmar: Ich freue mich immer jedes Mal über den Newsletter, die man bekommt, wenn man die Services der IT-Recht Kanzlei nutzt und wo dann die aktuellen Abmahngründe auch immer genannt werden.

Herr Nagel: Ja genau richtig. Da haben wir quasi so eine Datenbank, wo wir die aktuellen Abmahngründe sammeln und in jedem neuen Newsletter nehmen wir eine Übersicht mit auf, was derzeit so aus unserer Erfahrung am häufigsten abgemahnt wird.

Dagmar: Okay. Aber sie arbeiten ja eher präventiv und dabei wollen wir jetzt mal bleiben. Was benötige ich denn, um rechtssicher zu verkaufen? Wir haben ja schon einiges genannt, also einmal das Impressum, das da sein muss, und die Rechtstexte wie AGB und Datenschutzerklärung.

Herr Nagel: Ja genau, das sind schon mal die wichtigsten Grundvoraussetzungen. Wobei man auch dazu sagen muss kein Händler ist verpflichtet, AGB zu verwenden. Das Gesetz schreibt also nicht vor, dass man AGB verwenden muss, aber es gibt eben bestimmte Informationspflichten, die ich einhalten muss.

Und wir machen es eben so, dass wir diese Informationspflichten quasi mit den AGB verknüpfen. Also AGB sind unabhängig davon natürlich auch zweckmäßig, weil man sich dadurch einfach gewisse Vorteile verschaffen kann im Vergleich zur gesetzlichen Lage. Wobei bei Verbraucherverträgen mit Verbrauchern ist es nur begrenzt möglich, aber auch da können AGB durchaus Sinn machen. Aber in unserem Fall dienen sie in erster Linie auch dazu, die gesetzlichen Mindestanforderungen, also die besonderen Informationspflichten, insbesondere im elektronischen Geschäftsverkehr zu erfüllen.

Darüber hinaus gibt es auch sehr viele produktspezifische Kennzeichnungspflichten, da kommt es dann sehr darauf an, welche Art von Waren ich online verkaufe. Ich habe ja eben schon erwähnt, es gibt z.B. für Textilien besondere Kennzeichnungspflichten, Materialkennzeichnungspflichten, die ich beachten muss. Es gibt für Lebensmittel sehr viele besondere Kennzeichnungspflichten, auch für Elektrogeräte. Und so gibt es diverse besondere produktspezifische Kennzeichnungspflichten, die ich auch beachten muss.

Was auch immer eine große Rolle spielt, ist das Thema Preisangabenverordnung. Hier gibt es eben auch besondere Pflichten, die ich einhalten muss. Beispielsweise muss ich bei meinen Preisen darauf hinweisen, dass es sich um den Gesamtpreis handelt, der die Umsatzsteuer enthält oder wenn ich Kleinunternehmer bin, dass die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen wird.

Dann kann es theoretisch das Thema Differenzbesteuerung oder das Thema Grundpreisangaben geben. Das heißt, wenn ich Waren anbiete, die vorher verpackt sind und die ich nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche verkaufe, dann muss ich hier in der Regel entsprechende Grundpreise angeben. Also beispielsweise den Preis pro Liter oder den Preis pro Quadratmeter oder pro Meter, je nachdem, um was für eine Ware es sich handelt.

Das sind eben auch Dinge, die uns in der Praxis immer wieder beschäftigen und die leider auch immer wieder falsch gemacht werden und zu Abmahnungen führen.

Dagmar: Etsy gerät immer wieder in die Kritik und immer wieder fällt auch die Behauptung, dass es quasi nicht möglich ist, auf Etsy rechtssicher zu verkaufen, weil sie als amerikanisches Unternehmen gar nicht in ihrem Frontend oder Backend die Möglichkeiten schaffen, den europäischen und deutschen Normen gerecht zu werden. Sei es eben, wie man die Rechtstexte einpflegt, wie man die Grundpreisangaben korrekt macht und es ändert sich dort auch ständig etwas. Haben Sie da noch ein paar Tipps für uns?

Herr Nagel: Also letztlich gibt es da tatsächlich ein paar Dinge, die an den, ich sage mal,  technischen Vorgaben von Etsy zu kritisieren sind. Gerade auch was diese Voreinstellungsmöglichkeiten angeht bezüglich Widerrufsrecht und so weiter. Da werden teilweise Formulierungen verwendet, die quasi vom EU Widerrufsrecht abweichen oder wenn man sie ohne Weiteres einfach mal in seinem Etsy-Account aktivieren würde, könnte man daraus den Schluss ziehen, dass das Widerrufsrecht weitgehend ausgeschlossen ist.

Und da muss man eben sehr auf der Hut sein. Es kommt auch darauf an, was man verkauft, also ob man nur physische Waren verkauft oder auch digitale Inhalte. Für digitale Inhalte gelten andere Anforderungen sowohl für die Widerrufsbelehrung als auch für das Widerrufsrecht als für physische Waren.

Bei Etsy gibt es da eben beispielsweise solche Voreinstellungen, auch zum Thema individuelle Kundenspezifikationen und so weiter. Da gibt es dann eine Möglichkeit einen Text bei Etsy zu aktivieren, dass ich generell das Widerrufsrecht für individuell im Kundenauftrag erstellte Waren ausschließe. Aber so einfach ist es eben nicht. Es gibt da zwar einen gesetzlichen Ausschlussgrund für nach Kundenspezifikation angefertigte Waren. Ob es sich aber im Einzelfall tatsächlich immer um einen Artikel handelt, der unter diesen Ausnahmetatbestand fällt, ist immer eine rechtliche Frage. Das kann man so pauschal nicht für jeden Fall, wo ich irgendwas für den Kunden individuell mache, bejahen.

Und deshalb wäre es aus unserer Sicht gefährlich, wenn man hier das Widerrufsrecht kategorisch für solche Waren ausschließt, indem man beispielsweise bei Etsy diese Voreinstellung aktiviert und in der Widerrufsbelehrung steht dann aber eben was anderes. Also zumindest wenn unsere Widerrufsbelehrung verwendet wird, die wir natürlich auch an dem gesetzlichen Muster ausgerichtet haben. Danach ist es eben nicht so, dass man in solchen Fällen immer kategorisch das Widerrufsrecht ausschließen kann, sondern man muss wirklich im Einzelfall prüfen, ob es sich um einen solchen Fall handelt. Wenn der Händler auf Ausschlussgründe hinweist, dann sollte er sich dabei wirklich an die gesetzlichen Vorgaben halten, also an die im Gesetz definierten Fälle, weil dann kann er im Grunde nichts falsch machen.

Es ist natürlich immer die Frage, ob dann im Einzelfall wirklich so ein Fall vorliegt und ob der Verbraucher das dann weiß oder überhaupt wissen kann. Aber letztlich kann man das nicht sozusagen immer für jedes Angebot oder für jedes einzelne Angebot im Vorhinein prüfen und demnach dann seine Widerrufsbelehrung gestalten. Das würde zu weit führen, das wäre auch unzumutbar.

Deshalb ist es in der Praxis so, dass man, wenn man auch nur einen Artikel hat, der individuell angefertigt wird, diesen Ausschlussgrund z.B. mit in die Widerrufsbelehrung aufnimmt. Und ob dieser im Einzelfall vorliegt oder nicht, muss man dann eben prüfen, wenn es gegebenenfalls zum Streit kommen sollte.

Dagmar: Ich kann da auch schon mal verraten: Es gibt im Blog der IT-Recht Kanzlei einen ganz wunderbaren und sehr hilfreichen Artikel, wie man genau die Rechtstexte in den Etsy Shop einpflegt. (Hier geht es zu diesem Hilfeartikel*)

Und ich kann da auch nur zu raten, den Artikel zu lesen und das so zu machen. Nicht anders und nicht in die Versuchung zu geraten, die Knöpfchen, die Etsy da so scheinbar leicht anbietet, einfach irgendwie zu aktivieren, sondern da wirklich den Hinweisen der Kanzlei zu folgen.

Ich habe zwei Fragen, die mir meine Follower mitgebracht haben. Die eine Frage ist: ‘Wenn ich ins Ausland verkaufe, was ja über Etsy relativ leicht möglich ist, was passiert dann mit den AGB? Muss ich die übersetzen?’

Herr Nagel: Ja, das ist eine schwierige Frage, die uns auch in der Beratungspraxis häufig gestellt wird. Letztendlich ist es so: Es handelt sich ja nach wie vor um einen deutschen Onlineshop. Im Endeffekt, wenn der Sitz in Deutschland ist und ich meine Angebote in erster Linie an Verbraucher in Deutschland richte, dann handelt es sich im Grunde um einen deutschen Online-Shop. Da kann man nicht von mir verlangen, nur weil es theoretisch denkbar ist, dass auch Verbraucher aus dem Ausland meine Angebote sehen, dass ich dann in jeder Landessprache und nach jedem Landesrecht entsprechende Rechtstexte vorhalte.

Wäre auch praktisch gar nicht umsetzbar. Also ich könnte die Texte ja gar nicht in der Masse dann auch platzieren und so weiter. Aber es ist auch aus unserer Sicht nicht erforderlich. Es gibt keine gesetzliche Verpflichtung dazu, grundsätzlich für jede Sprache nach jedem Landesrecht denkbare Rechtstexte vorzuhalten, nur weil ich übers Internet Waren anbiete.

Allerdings ist es so, wenn ich meine Angebote ganz gezielt auf bestimmte Märkte ausrichte, dann muss ich mich auch an die in diesem Land geltenden Vorschriften halten. Ein Beispiel ist, wenn ich Waren bei amazon.fr einstelle oder bei eBay.fr, dann richte ich mich mit diesen Angeboten ganz gezielt an den französischen Markt. Das heißt, ich nehme dann auch als Händler an dem französischen Markt teil und muss mich dann auch den dort geltenden Regelungen beugen.

In diesem Fall halten wir es für erforderlich, dass man dann eben auch Rechtstexte nach dem jeweiligen Landesrecht in der jeweiligen Landessprache verwendet. Zwar kann man grundsätzlich auch mit Verbrauchern aus Frankreich deutsches Recht vereinbaren in den AGB, aber das gilt nach der Rom-I-Verordnung nur insoweit, als der Verbraucher nicht schlechter gestellt wird als nach seinem eigenen Landesrecht. Und da wird es schon wieder kompliziert, weil sie dann prüfen müssten in welchen Punkten ist das deutsche Recht für den Verbraucher in Frankreich vorteilhaft und in welchem Verhältnis ist das französische Recht?

Da kommen sie in Teufels Küche. Und noch dazu gelten in Frankreich teilweise auch besondere Informationspflichten, die z.B. in Deutschland nicht gelten. Da haben wir nicht in allen Bereichen volle Harmonisierung. Diese muss ich dann natürlich auch beachten, wenn ich mich z.B. an Verbraucher in Frankreich wende. Und dann ist ja auch klar, dass der Verbraucher in Frankreich auch über sein Widerrufsrecht informiert werden muss. Er muss über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten informiert werden und das kann ich letztlich nur rechtlich korrekt machen, wenn ich das in seiner Landessprache tue, weil dem Verbraucher in Frankreich nicht zuzumuten ist, dass er komplizierte juristische Texte in deutscher Sprache übersetzt.

Von daher gehen wir davon aus, dass wenn man sich mit seinen Angeboten gezielt an bestimmte Verbraucher im Ausland richtet bzw. an bestimmte Märkte im Ausland richtet, man dann auch tatsächlich die dort gültigen Vorschriften beachten muss und auch entsprechende Rechtstexte verwenden muss. Diese sind in der Sprache des jeweiligen Landes abgefasst und berücksichtigen die rechtliche Situation des jeweiligen Landes.

Dagmar: Okay, wenn ich jetzt aber auf dem Marktplatz Etsy agiere, wie ist dann das Wort ‘gezielt’ zu interpretieren? Ich habe ja die Möglichkeit, dass ich auf Etsy meine Produkttexte, meine Angebote automatisch übersetzen lasse. Das kann ich mittlerweile aber auch einstellen: Ja, nein, also will ich das oder will ich nicht.

Oder Ich habe die Möglichkeit, proaktiv selber die Artikelbeschreibung zu übersetzen und zu sagen ich möchte – wir waren bei Frankreich – nicht, dass das automatisch von Google übersetzt wird, sondern ich möchte eine Keyword-optimierte, SEO-optimierte und ordentliche Artikelbeschreibung und ich setze einen französischen Text hinein. Ist das dann zu interpretieren als gezielt?

Herr Nagel: Ja, also eine ganz schwierige Frage, die auch so einfach nicht zu beantworten ist. Letztlich muss man verschiedene Anhaltspunkte immer heranziehen und dann im Einzelfall wirklich prüfen, ob so eine gezielte Angebotsausrichtung vorliegt oder nicht.

Allein die Tatsache, dass ich meine Texte in Französisch darstelle, heißt ja noch nicht, dass ich mich gezielt an den französischen Markt richte. Denn Französisch wird auch in anderen Ländern gesprochen, beispielsweise in der Schweiz. Von daher könnte sich mein Angebot ja auch gezielt an die französische Community oder vielleicht die französisch sprechende belgische Community richten. Also da habe ich jetzt noch keine ausreichende Zielrichtung.

Starke Indizien sind natürlich immer entsprechende Länder Domains. Also wenn ich natürlich unter einer fr-Domain oder einer es-Domain einen eigenen Shop oder einen Sub Shop betreibe oder was auch immer. Dann denke ich schon, dass man hier von einer ganz gezielten Ausrichtung sprechen kann, wenn es dann noch in der jeweiligen Landessprache vorgehalten wird.

Ansonsten wenn ich jetzt unter einer com-Domain anbiete und das ganze vielleicht noch in Englisch übersetze, dann sehe ich da keine besondere Zielausrichtung auf ein bestimmtes Land und dann sehe ich eben auch keine entsprechende Verpflichtung die Texte dann in der jeweiligen Landessprache vorzuhalten.

Dagmar: Vielen, vielen Dank. Das war die eine Frage, die ich mitgebracht habe.

Die andere Frage ist: ‘Es treibt in letzter Zeit immer mehr Blüte, dass Konkurrenten auf Etsy den Namen eines anderen Shops, eines direkten Konkurrenten als Tag nutzen und so, wenn die potenziellen Nutzer nach einem bekannten Namen oder Shop Namen in der Etsy-Suche suchen, hoffen, dass sie dann dort auch gefunden werden und natürlich auch Käufer abgreifen. Wie schätzen Sie das rechtlich ein? Und was kann ein entsprechender Shop der merkt, dass sein Name als Tag genutzt wird, tun? Wie könnte er handeln?’

Herr Nagel: Also das halte ich nicht für unproblematisch. Ganz klar. Wenn der Name des betreffenden Anbieters markenrechtlich geschützt ist, kann darin auch eine Markenrechtsverletzungen zu sehen sein, weil aus meiner Sicht darin auch eine markenmäßige Benutzung liegt.

Wenn ich im geschäftlichen Verkehr diesen Tag benutze, um gezielt potenzielle Kunden, die eigentlich gezielt nach meinem Mitbewerber suchen, zu mir zu lotsen, dann sehe ich darin auf jeden Fall auch eine markenmäßige Benutzung, die grundsätzlich einer vorherigen Erlaubnis des Markenrechtsinhabers bedarf. Und wenn die Erlaubnis fehlt, dann begehe ich eine Markenrechtsverletzung und kann dafür gegebenenfalls abgemahnt werden.

Das gleiche gilt übrigens auch in puncto Namensrecht. Es gibt ja auch ein Namensrecht, also wenn ich eine Firma habe oder meinen eigenen Namen benutze im geschäftlichen Verkehr und dieser Name dann also gezielt von anderen benutzt wird, um Kundenströme abzuleiten oder so. Dann kann das eben im Einzelfall auch eine Verletzung des Namensrechts sein, ohne dass mein Name markenrechtlich geschützt ist.

Also auch insoweit muss man das berücksichtigen. Ansonsten ist es natürlich auch wettbewerbsrechtlich problematisch. Man spricht ja auch gegebenenfalls vom gezielten Ableiten von Kundenströmen. Also wenn ich den Namen meines Mitbewerbers benutze, um suchende Kunden, die eigentlich gezielt nach meinem Mitbewerber suchen möchten, unter Angabe eines bestimmten Suchbegriffs versuche zu mir zu locken, also Kundenströme ableite und von meinem Mitbewerber zu mir umleiten, dann kann das auch wettbewerbswidrig sein. Und vor dem Hintergrund halte ich das für problematisch.

Und wer jetzt umgekehrt betroffen ist von solch einer Maßnahme, der könnte das durchaus durch seinen Anwalt prüfen lassen. Man muss sich natürlich immer alle Umstände des Einzelfalls auch anschauen. Ich habe jetzt auch die Rechtsprechung dafür nicht so ganz genau parat. In einem bestimmten Umfang ist es ja auch zulässig, z.B. auch bei Google Ads und so weiter bestimmte Begriffe von Mitbewerbern zu verwenden, sofern für die angesprochenen Verkehrskreise ersichtlich ist, dass es sich um einen anderen Anbieter handelt. 

Also in bestimmten Grenzen und bestimmtem Umfang ist so etwas auch zulässig, aber z.B. für die Verwendung von Markennamen in Metatags ist es auch schon gerichtlich entschieden worden, dass das dann unter Umständen eine Markenrechtsverletzung darstellen kann. Und ich würde diesen Sachverhalt jetzt eher damit vergleichen, den sie mir jetzt geschildert haben. Also durchaus denkbar, dass man damit eine Markenrechtsverletzung begeht, eine Namensrechtsverletzung und eventuell auch eine Wettbewerbsverletzung.

Dagmar: Sehr spannend. 
Den Fall mit den Google Ads, den sie geschildert haben, würde ich eher so sehen: Ein Onlineshop, der sich spezialisiert hat auf Sneaker, verkauft Nike Sneaker und dann ist ja irgendwie offensichtlich, dass er ein allgemeiner Schuhhändler ist und nicht die Marke Nike ist.

Herr Nagel: Genau.

Dagmar: Aber ich kenne einen ganz konkreten Fall und diese verkauft wirklich komplett die gleichen Produkte. Diese hat auch die Produktbilder ähnlich gestaltet zu dem ursprünglichen Etsy Shop und es ist ganz offensichtlich eine versuchte Kopie und ein Abgreifen der Kundenströme.

Vielen Dank für Ihre Ausführung. Ich denke, das wird viele Händler beruhigen. Ein paar kenne ich schon, die das trifft. Vor allem wird es hoffentlich Etsy Verkäufer davor abschrecken, diesen Quatsch zu machen, weil das ernsthafte rechtliche Konsequenz nach sich ziehen kann. 

Ich habe doch noch eine Frage: Und zwar haben wir es auch schon angesprochen: Etsy macht es einem technisch ja manchmal schwierig, alle rechtlichen Auflagen auszuführen. Jetzt ist mir letzte Woche z.B. aufgefallen, also ich habe eine Umsatzsteuer-ID-Nummer, die muss im Impressum hinterlegt sein. Das ist auch alles fein, wenn Verbraucher meinen Etsy Shop am Desktop anschauen, dort ist das Impressum komplett. Aber in der App nicht mehr, dort ist die Umsatzsteueridentnummer nicht sichtbar, obwohl sie korrekt hinterlegt ist.

‘Was ist mit solchen Sachen, die man eigentlich richtig gemacht hat, aber die technisch irgendwie nicht korrekt dargestellt werden? Kann man da als Verkäufer belangt werden?’ Oder ist das dann ein Problem der Plattform, weil man nachweisen kann, dass ich alles Erdenkliche gemacht habe, aber es ist mir ein Strich durch die Rechnung gemacht worden. Ich kann nichts dafür.

Herr Nagel: Also es ist leider so, dass sie – als Anbieter, als Händler – auch für technische Fehler und Probleme der Plattform unter Umständen haften müssen. Beispielsweise, wenn aufgrund eines technischen Fehlers die gesetzlichen Pflichtinformationen nicht sichtbar sind. Für die angesprochenen Verkehrskreise ist jetzt erstmal nicht ersichtlich, warum das so ist. 

Tatsache ist, im Zeitpunkt A bis B haben Sie nachweislich einen Onlineshop betrieben, ohne ein Impressum vorzuhalten. Das alleine ist ja schon mal ein Gesetzesverstoß gegen die Impressumspflicht. Für die Frage, ob dann Unterlassungsanspruch besteht, kommt es nicht auf ein Verschulden an. Der Unterlassungsanspruch ist also verschuldensunabhängig. Das heißt, sie können wegen einer solchen vorübergehenden Störung theoretisch abgemahnt werden.

Das ist auch in der Praxis schon öfter vorgekommen. Es ist also nicht selten, dass so etwas auch mal passiert. Im Innenverhältnis stellt sich dann natürlich die Frage, ob der Plattformbetreiber hierfür haften muss, wenn ihnen dadurch ein materieller Schaden entsteht. Aber für den Wettbewerbsverstoß müssen sie erstmal selber geradestehen und gegebenenfalls auch eine Unterlassungserklärung dafür abgeben. 

Da sieht man auch mal wieder die potenzielle Gefahr von solchen Unterlassungserklärungen. Weil wenn sowas in Zukunft wieder passieren sollte, stellt sich natürlich die Frage, ob sie dann in die Vertragsstrafe rutschen oder ob sie sich über das fehlende Verschulden hier dann exkulpieren können.

Und da ist eben der entscheidende Unterschied, wo man ansetzen kann: das Verschulden. Wenn sie nachweislich alle Informationen hinterlegt haben, die auch nach einer stichprobenartigen Prüfung dann sichtbar waren und dann aufgrund eines ihnen nicht zurechenbaren technischen Fehlers bei der Plattform vorübergehend die Lichter ausgehen und der Text nicht sichtbar ist, dann fehlt aus meiner Sicht hier das Verschulden ihrerseits. 

Zumindest dann, wenn das nicht so lange andauert. Weil, wenn das nämlich länger andauert und sie merken das, müssten sie eigentlich ihren ganzen Auftritt erstmal offline nehmen, bis der Fehler behoben ist und dürften nicht einfach anbieten, weiter anbieten, unter Missachtung ihrer Informationspflichten. Denn dann würden sie wiederum verstoßen, weil sie trotz besserer Kenntnis Ihre Angebote drin gelassen haben, obwohl sie wussten, da stimmt gerade was nicht, da gibt es einen technischen Fehler, der muss erst behoben werden und dann kann ich mich wieder draufschalten.

Also da wird den Händlern schon einiges abverlangt. Aber wenn es sich jetzt eben um so einen ganz kurzen oder relativ kurzen Zeitraum handelt, sie kriegen es gar nicht mit und auf einmal kriegen sie eine Vertragsstrafenforderung auf den Tisch, weil sie in der Vergangenheit eine Unterlassungserklärung abgegeben haben. Und jetzt auf einmal war das Impressum wieder nicht sichtbar, dann können sie sich aus meiner Sicht hier über das fehlende Verschulden exkulpieren, wenn sie sagen ‘Ich habe alle Informationen hinterlegt, nachweislich. Ich habe es auch stichprobenartig geprüft, ob es sichtbar ist. Und es war auch immer sichtbar, bis auf diesen Zeitraum, wie ich jetzt herausgefunden habe, wo es vorübergehend eben aufgrund technischer Probleme, die nicht von mir ausgelöst wurden, nicht sichtbar war und ich hatte keine Kenntnis davon.’ 

Aber wie gesagt, wenn das länger anhält, ein paar Tage vielleicht und dann noch durch die Presse geht oder durch die entsprechenden Blogs und man reagiert dann einfach nicht, dann kann es wieder ein Verschulden begründen, weil sie eben trotz Kenntnis oder trotz Kennen-Müssens hier nicht entsprechend reagiert haben und ihre Angebote vorübergehend offline genommen haben, bis der technische Fehler behoben ist.

Dagmar: Das ist jetzt eher so mittelmäßig beruhigend, besonders weil bei Etsy gefühlt immer irgendwas ist.

Herr Nagel: Na ja, es bleibt ja immer noch die mögliche Haftung des Plattformbetreibers, wenn er das ganze zu vertreten hat. Natürlich können die auch in gewissem Umfang ihre Haftung begrenzen. Das ist klar, nicht für alle technischen Fehler oder Ausfälle können die dann auch immer belangt werden. 

Aber wenn es eben jetzt darum geht, dass die Händler ihre Informationen pflichtgemäß vorhalten können, dafür ist der Plattformbetreiber auch mitverantwortlich. Also er muss die technische Möglichkeit anbieten, das alles umzusetzen. Wenn also bekannt ist, dass hier gewisse Defizite bestehen, z.B. weil man sein Impressum nicht vollständig hinterlegen kann oder was auch immer und der Plattformbetreiber tut dann nichts, obwohl er es weiß bzw. obwohl er von den Nutzern darüber in Kenntnis gesetzt wurde, und dann entsteht einem oder mehreren Nutzern dadurch in materieller Schaden, beispielsweise durch eine Abmahnung oder Vertragsaufforderung, kann er durchaus in Haftung genommen werden, also im Innenverhältnis. Dann könnte man ihn in Regress nehmen, weil er seine vertraglichen Sorgfaltspflichten missachtet hat. Und dazu gehört auch, den Händlern technisch die Möglichkeit zu bieten, alle gesetzlichen Informationspflichten einzuhalten und umzusetzen.

Dagmar: Dann würde ich jetzt daraus ableiten, wenn einem so etwas auffällt, dass sich was geändert hat in der Darstellung, dass man dann als Erstes ein Incident, einen Fall oder eine Mitteilung an Etsy schickt und sie darüber in Kenntnis setzt.

Herr Nagel: Richtig. Also zumindest dann, wenn es ein relevanter Fehler Eingriff ist und man feststellt ‘Oh Mist, hier stimmt was nicht. Ich muss doch diese Angabe eigentlich drin haben. Warum wird die jetzt nicht mehr angezeigt?’ Dann sollte man durchaus sofort Kontakt zu dem Plattformbetreiber aufnehmen, ihn darauf hinweisen und auch auffordern das abzustellen. Und wenn er es dann nicht macht und einem selber dann möglicherweise materieller Schaden entsteht, kann man ihn in Regress nehmen.

Dagmar: Sehr gut. Danke für den praktischen Tipp. Vielen, vielen Dank auch für das sehr, sehr ausführliche Interview. Ich bin mir sicher, dass die Hörer da jede Menge Nutzen für sich herausziehen können. Ich werde natürlich wie versprochen auch alle Links zur Kanzlei und auch vor allem den Artikel, wie man seine Rechtstexte korrekt in den Shop einbindet, verlinken und bedanke mich noch mal ganz, ganz herzlich für Ihre Zeit und Ihre Mühe.

Herr Nagel: Ja, ich bedanke mich auch und wünsche natürlich ihren Hörern und ihren Nutzern viel Erfolg weiterhin beim Handel auf Etsy und würde mich freuen, den ein oder anderen dann auch mal als Mandanten bei uns begrüßen zu dürfen.

Dagmar: Bestimmt. Ich weiß, dass einige ihnen schon gefolgt sind. Einige meiner Hörer und Nutzer und das werden bestimmt noch mehr werden, vor allem nach diesem Interview. Vielen, vielen Dank und einen schönen Tag und schöne Grüße nach München.

Herr Nagel: Danke ebenfalls.

Das war die 24. Folge des Etsy Verkäufer Podcast Kassenklingeln mit unfassbar viel wichtigem Input für dich. Ich hoffe, du bist nicht erschlagen von der Fülle an wertvollen Informationen, die du gerade bekommen hast. 

Ich weiß, das Rechtsthema ist viel, ist teilweise auch beängstigend, aber ich kann auch sagen, es gibt keinen Grund Angst zu haben. Wir sind alle nur Menschen und Fehler passieren halt mal und nach der Aufnahme hat Herr Nagel auch noch mal gesagt ‘Ja, irgendwie gehören Abmahnung auch zum Unternehmertum dazu.’ Das heißt natürlich nicht, dass wir die irgendjemand wünschen, aber das passiert nun mal einfach. Und wenn dir so etwas passiert, dann ist das kein Grund panisch zu werden. Nein, einmal durchatmen, Rechtsbeistand suchen und weiter geht das Leben. Vielen, vielen Dank.

Und lass die Kasse klingeln!

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